Mitte März hat das Land Bremen weitreichende Einschränkungen des öffentlichen Lebens zur Pandemieeinschränkung getroffen. Menschenansammlungen gilt es zu minimieren, damit sich möglichst wenig Menschen mit dem neuartige Corona-Virus (Covid-19) infizieren. Diese Einschränkungen galten zunächst nicht für die Erstaufnahme-Einrichtung für Geflüchtete in der Lindenstraße, wo täglich sehr viele Menschen Kontakt zueinander haben ohne dem aus dem Weg gehen zu können.
Pressemitteilung vom 01.04.2020
Erstaufnahmestelle für Geflüchtete Bremen ignoriert Empfehlungen des Robert Koch-Instituts (RKI) und die Auflagen der Stadt Bremen
Am 31.03.2020 gab es den ersten bestätigten Corona-Fall in der Erstaufnahmeeinrichtung(EAE) für Geflüchtete in der Lindenstraße in Bremen. Seit dem 16.03. sind fast alle Lebens- und Arbeitsbereiche in Bremen im Sinne der Pandemieeindämmung Einschränkungen unterworfen: Schulen, Universitäten und Mensen sind geschlossen, jegliche Menschenansammlungen zu vermeiden und soziale Kontakte einzuschränken. Es überrascht daher, dass die EAE in der Lindenstraße als eineder größten Massenunterkünfte von diesen Maßnahmen zunächst bis zum 24.03.20 unberührt weiter betrieben wurde. Erst nach Protesten der Geflüchteten und unterstützender Gruppen wurden vor wenigen Tagen Risikopersonen umverteilt. Die wichtigsten Maßnahmen des Robert Koch-Instituts (RKI), um eine Überlastung des Gesundheitsystems zu verhindern und die Sterblichkeit in Deutschland niedrig zu halten, sind ein Mindestabstand von 2 Meter zwischen Personen sowie die Bildung vongleich bleibenden Kleinsteinheiten. Einen stärkeren Kontrast zu den Verhältnissen in der EAE könnte es kaum geben. Hier sind aktuell etwa 600 Geflüchtete untergebracht. Je 2 bis 4 Personen plus Kinder leben in Schlafeinheiten mit dicht stehenden Betten, oft ohne Fenster, deren Seitenwände nicht einmal bis zur Zimmerdecke reichen. Sie nutzen Gemeinschaftsduschen und nehmen ihre Mahlzeiten in Gruppen von bis zu 200 Menschen ein. Ein Mindestabstand von 2 Meter ist unter diesen Umständen nicht umzusetzen, so dass weiterhin Personen in wechselnden Gruppenkonstellationen auf engem Raum Kontakt haben. So erhöht sich die Möglichkeit einer Ansteckung mit SARS-CoV-2 und einer rasanten Verbreitung der Infektion. Warum greifen die für ganz Bremen geltenden Richtlinien in allen Bereichen, nur nicht in Einrichtungen für Geflüchtete? Das Leben in der EAE, das auch schon vor Corona menschenunwürdig war, wird durch die weitgehend hilflosen Maßnahmen zum Infektionsschutz unerträglich: Gemeinschafträume bleiben verschlossen, der ohnehin spärliche Schulunterricht durch ehrenamtliche Lehrer*innen muss ausfallen, da diese zur Kontaktvermeidung nicht mehrkommen dürfen, und Kinder können nicht mehr draußen gemeinsam spielen. Nicht eine einzige der „Maßnahmen zum Schutz der Geflüchteten“ (https://www.senatspressestelle.bremen.de/sixcms/detail.php?id=332605&asl=bremen02.c.732.de), die von der Sozialbehörde am 27.3.20 in ihrer Presseerklärung zur Entlastung der Erstaufnahmeeinrichtung als Erfolg etikettiert wurden, zielt darauf ab, ‚physical distancing‘ zwischen den Bewohner*innen zu ermöglichen. So werden Neuankömmlinge zwar im separaten Trakt, aber zu mehreren untergebracht und haben zudem Kontakte zu anderen Personen, etwa über die gemeinsame Kantine. Eine infizierte Person, wie jetzt aktuell, hat relativ schnell einen großen Kreis an möglichen Übertragungskontakten zu BewohnerInnen oder Personal. In Deutschland sind aktuell mehr als 40.000 Geflüchtete in Erstaufnahmestellen untergebracht. Bundesweit fordern Flüchtlingsräte die Auflösung von Sammelunterkünftenund die Erstellung von Notfallplänen. In einigen Unterkünften gibt es ebenfalls erkrankte Bewohner*innen (beispielsweise in Berlin, München und Suhl). Teilweise werden ganze Unterkünfte unter Quarantäne gesetzt, so wie in Suhl (Thüringen). Der Ausnahmezustandführte in der Unterkunft zu Angst, Unsicherheit und Panik. Als die Situation zu eskalieren drohte, wurde ein großer Polizeieinsatz bemüht. Zu solchen oder ähnlichen Situationen kann es auch in Bremen kommen und solche müssen frühzeitig verhindert müssen. Die Verantwortung zur Einhaltung der aktuellen Auflagen obliegt in Bremen der Sozialbehörde und dem Gesundheitsamt. Der Bremer Flüchtlingsrat gab am 30.03.2020 eine Anzeige gegen die Sozialbehörde und die Arbeiterwohlfahrt (AWO) als Träger der Einrichtung wegen Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz bekannt. Auch Geflüchtete haben Anspruch auf Schutz vor potentiell lebensbedrohlichen Infektionen, d.h. eine Unterbringung, in der die Durchsetzung der vom RKI empfohlenen Maßnahmenmöglich ist und Hygienestandards eingehalten werden können. Nach den Vorgaben des RKI und den Auflagen von Bremer Behörden ist die aktuelle Situation in der Erstaufnahmeeinrichtung aus medizinischer Sicht nicht tragbar – die Lindenstraße muss unverzüglich geschlossen werden. Wenn eine landesweite Eindämmung und weitere Ausbreitung der Pandemie verhindert werden sollen, ist eine Dezentralisierung bzw. eine Unterbringung in deutlich kleineren Wohneinheiten als eine erste Maßnahme zwingend erforderlich.
Unser Statement zur aktuellen Lage in der Lindenstraße findet ihr auch unter folgendem Link zum downloaden:
Pressemitteilung Solimed zur Erstaufnahme in der Lindenstraße