Die Ignoranz der Senatorin für Soziales in Bremen gegenüber der Proteste und Kritik an den Zuständen in der Erstaufnahmeeinrichtung in der Lindenstraße führten zu einer großen Anzahl an SARS-Cov-2 Infektionen unter den Bewohner*innen. Das Handeln der Senatorin ist aus unserer Sicht medizinisch und politisch nicht tragbar, daher sprechen wir uns für einen Rücktritt von Frau Stahmann aus. Hierfür haben wir einige Unterstützung von verschiedenen Personen und Gruppen erhalten.
Die begründete Rücktrittsforderung sowie die Unterstützer*innen:
Ignoranz von Frau Stahmann führt zu über 100 SARS-CoV-2 Ansteckungen in Lindenstraße
Seit Mitte März ist jeder Mensch in Deutschland angehalten und verpflichtet, soziale Kontakte weitgehend zu meiden und bei Erkrankung enge Regeln der Selbstisolation einzuhalten, um die Ausbreitung von COVID-19 zu verlangsamen. Es geht dabei um Solidarität. Nicht nur der Selbstschutz steht im Vordergrund, sondern vor allem auch, Risikogruppen vor einer Ansteckung zu bewahren und somit vermeidbare schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle, zu verhindern. Zudem soll eine Überlastung des Gesundheitssystems vermieden werden.
In Bremen leben aktuell noch immer 374 geflüchtete Menschen auf engem Raum zusammen in der Erstaufnahmeeinrichtung in der Lindenstraße. Seit Wochen weisen die Bewohner*innen und viele andere Organisationen und Gruppen immer wieder auf die unzureichenden Möglichkeiten des physical distancing in der Einrichtung hin. Bei einer Demonstration der Bewohner*innen Ende März gegen diese unhaltbaren Zustände wurden einige Anzeigen von Seiten der Polizei geschrieben, da der Mindestabstand von 1,5 Metern bei der Demonstration nicht eingehalten wurde. Ein schlechter Scherz angesichts der Tatsache, dass die Bewohner*innen genau auf diese Problematik aufmerksam machen wollten.
Zur Zeit ist die Einrichtung aufgrund der vielen SARS-CoV-2 Infektionen und Quarantänemaßnahmen komplett abgeriegelt. Quarantäne bedeutet in der Lindenstraße, dass der Flurblock, in dem eine Person positiv getestet und folglich evakuiert wurde, komplett abgesperrt wird. Der Bereich kann dann i.d.R. von den verbliebenen Bewohner*innen nicht mehr verlassen werden. Dies bietet ideale Möglichkeiten für weitere Ansteckungen, denn
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- die Zimmer sind zumeist klein und mit bis zu vier Einzelpersonen belegt.
- die Bäder werden gemeinsam geteilt.
- nur im engen Flur können die Fenster geöffnet werden.
- Mund-Nasen-Schutzmasken werden an die Bewohner*innen nicht ausgegeben.
- Kontaktnachverfolgung wurde in der Lindenstraße nicht praktiziert, d.h. alle anderen
Kontakte der Erstperson bewegten sich frei in allen Bereichen des Hauses. Ein Bewohner beschrieb in Telefonaten mit Vera Bergmeyer (solimed Bremen), dass zwei Tage nach dem Quarantänebeginn mehrere Leute aus seinem Flurblock herausgeholt wurden, weil sie positiv getestet waren. Alle anderen ca. 30 Menschen waren negativ getestet. Aber in diesen zwei Tagen seien sie alle eng zusammen in den Zimmern und Fluren, weil es gar nicht anders ging. Die Bewohner*innen hätten Angst, dass sich viele in dieser Quarantäne angesteckt haben. Das Infektionsschutz-Management in der Lindenstraße zeigt weiter massive Defizite an sinnhaftem Handeln gegen eine Ausbreitung von SARS-CoV-2. Die fortdauernden Fehleinschätzungen, Missmanagement und Ignoranz haben dazu geführt, dass inzwischen 133 Menschen positiv getestet wurden.
Die Sozialbehörde hat in den letzten Wochen wissentlich die in der Lindenstraße lebenden Menschen einem erhöhten Ansteckungs- und damit Erkrankungsrisiko ausgesetzt. Das Statement der Senatorin, Frau Stahmann, ist mehr als beschämend (Video bei Buten un binnen vom 23.04.2020, „120 Corona-Fälle in Bremer Flüchtlingsunterkunft“). Die hohen Zahlen in der Erstaufnahme seien ein Hinweis auf eine hohe Dunkelziffer insgesamt, versucht Frau Stahmann dreist die Folgen ihres eigenen Handelns kleinzureden. Die Aussage, man habe besonders gefährdete Menschen nun ausziehen lassen und geringe Symptome der positiv getesteten Personen seien eine Botschaft für den gar nicht immer so schlimmen Verlauf der Krankheit, klingen zynisch angesichts der Tatsache, dass immer wieder schwerwiegende Verläufe bei Menschen ohne Vorerkrankungen und jungen Menschen bekannt werden. Dies ist eine Verharmlosung der realen Ängste der Bewohner*innen und unvereinbar mit der aktuellen Risikoeinschätzung der Gesundheitsbehörden und des Robert-Koch-Institutes (RKI).
Die aktuelle Bremische Politik im Bezug auf die Erstaufnahmestelle Lindenstraße ist aus medizinischer Sicht nicht tragbar. Das Agieren der rot-rot-grünen Regierung in dieser Angelegenheit halten wir für einen Skandal. Die Menschen, welche hier in Bremen Schutz suchen, haben dasselbe Recht wie jede andere Person, sich vor dem Risiko einer COVID-19 Infektion zu schützen.
Wir fordern sofort Bedingungen zu schaffen, die den Geflüchteten in der
Erstaufnahmeeinrichtung einen ausreichenden Schutz vor COVID-19 gewähren:
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- Unterbringung einzeln bzw. in Familienverbünden oder in kleinen sozialen Bezügen.
- Zugang zu eigenen Bädern.
- Keine Quarantäne in Großgruppen.
- Erneute Testung der Personen, die mit positiv getesteten Personen in eine Quarantäne-Flur gesperrt waren und werden.
- Ausgabe ausreichender Mund-Nasen-Schutzmasken an die Bewohner*innen.
- Wohnsitzverpflichtung aufheben.
- Umsetzung der Maßgaben und Empfehlungen des RKI.
Wir fordern den Rücktritt von Frau Stahmann, weil sie die Geflüchteten wissentlich der Ansteckung mit SARS-CoV-2 und damit einer körperlichen Gefährdung aussetzt!
Die Senatorin muss die Verantwortung für die Konsequenzen ihres ausgebliebenen Handelns übernehmen!
Wir fordern qualifiziertes Personal für das Management des Bewohner*innenschutzes gegen COVID-19 in der EAE Lindernstraße und den Übergangsheimen!
Alle Menschen haben das gleiche Recht auf einen Schutz vor Corona!
Verfasst von solimed Bremen
Erstunterstützer*innen:
Dr. med. Batoul Badwan, Ärztin Innere Medizin, Bremen
Gesa Baum, Medizinstudentin
Timo Baum, Weiterbildungsassistent Allgemeinmedizin, Praxis für Familienmedizin Woltmershausen, Bremen
Lisa Baumann, Gesundheitswissenschaftlerin, Bremen
Dr. med. Vera Bergmeyer, Ärztin, Bremen
Johanna Bock, Ärztin, Bremen
Stephan Bohnenkamp, Arzt, Bremen
Dr. Alexander Calderoni, Facharzt für Innere Medizin, Gastroenterologie und Notfallmedizin, Niedersachsen
Hande Gencer, Politikwissenschaftlerin, Bremen
Pia Goldmann, Ärztin, Niedersachsen
Harald Herbst, Haßfurt
Nina Hildebrandt, Gesundheitswissenschaftlerin, Bremen
Dr. med. Christian Homuth, Arzt, Bremen
Dr. med. Maren Janotta, Ärztin, Bremen
Andreas Mansholt, Hannover
David Saputera, Arzt, Bremen
Heide Schierloh, Krankenschwester und Lehrerin für Pflege,Bremen
Roland Schreiber, Arzt, Bremen
Frauke Schukat, Hebamme, Bremen
Lara Serowinski, Fachärztin für Allgemeinmedizin, Bremen
Sarah Uthoff, Gesundheitswissenschaftlerin, Bremen
Julia Vogel, Ärztin, Bremen
Lisa Wächter, Hebamme, Bremen
Jan Westphal, Arzt, Niedersachsen
Pauline Wildenauer, Ärztin, Bremen
Unterstützende Gruppen:
ACOMPA, Bremen
Ende Gelände – Ortgruppe Bremen
Fridays For Future (FFF)-Gruppe Oldenburg
Kritische Mediziner*innen Freiburg
MediNetz Bremen
MediNetz Hannover
pa_ula – feministische Gruppe zu Gesundheits- und Körperpolitiken aus Oldenburg, Niedersachsen
Poliklinik Syndikat (Gesundheitskollektiv Berlin, Poliklinik Hamburg Veddel, Gesundheitskollektiv Dresden, Poliklinik – Solidarisches Gesundheitszentrum Leipzig)
Seebrücke Bremen
An dieser Stelle möchten wir allen bisherigen Unterstützer*innen ganz herzlich danken!
Wir sammeln weiterhin Unterschriften von Menschen und Personen, die unsere Forderung gerne mittragen möchten. Dafür reicht eine Mail mit Name, Beruf und Wohnort an solimed-bremen@posteo.de. Auch über unser Kontaktformular in der Menüleiste könnt ihr uns erreichen.
Weitere Unterstützer*innen:
Mariam Benachib, Medizinstudentin, Bremen
Eike Oltmanns, Arzt, Bremen
Andreas Klein, Assistenzarzt Geriatrie, Bremen
Dr. Friedrich Schorb, Gesundheitswissenschaftler, Bremen
Gundula v. Hartrott, Ärztin, Sachsen-Anhalt
Dr. med. Christiane Piepel, Internistin / Infektiologin, Oberärztin, Bremen
MediNetz Rhein-Neckar e.V.